Das Problem mit der Preispolitik in der Landwirtschaft

SZ Ehingen: 14.03.2024

VR-Bank Landwirtschaftsforum

Mit einem großen blauen Gymnastikball unter dem Arm steht Michael Lohner auf der Bühne der Hochsträßhalle in Schwörzkirch. In der anderen Hand hält er den Kopf einer Stecknadel. „Das ist das Kräfteverhältnis zwischen Erzeuger und Einkäufer einer großen Supermarktkette“, sagt er.

Der Erzeuger, der Landwirt, das ist in seiner Darstellung der kleine Stecknadelkopf. Das sei ein Kräfteverhältnis, das so nicht mehr tragbar sei. Das kommt an diesem Vormittag immer wieder zur Sprache - beim Landwirtschaftsforum der VR-Bank Alb-Blau-Donau. Das Thema der Podiumsdiskussion mit anschließender Fragerunde war dementsprechend auch „Landwirtschaft im Wandel“.

VR-Bank hatte mehrere Experten geladen

Auf das Podium geladen hatte die VR-Bank neben ihrem Vorstand Daniel Staiger den Vorsitzenden des Bauernverbandes Ehingen-Ulm Ernst Buck, den Vorstandvorsitzenden der Vieherzeuger-Gemeinschaft Reinhard Funk, den CDU-Landtagsabgeordneten Manuel Hagel und den Spitzenkoch Simon Tress, der mehrere Bio-Restaurants auf der Schwäbischen Alb betreibt.

Munderkingens ehemaliger Bürgermeister und promovierter Agrarökonom Michael Lohner trat als Gastredner auf. Die Veranstaltung moderierte Tobias Götz, Redaktionsleiter der „Schwäbischen Zeitung“ Ehingen.

Proteste in Biberach sind Teil der Diskussion

Die Landwirtschaft sei eines der Top-Themen aktuell in Deutschland, sagte er und blickte zu Beginn auf die Ereignisse rund um die Bauernproteste - auch in Biberach. Als man sich zu dem Forum entschlossen habe, sei das noch kein Thema gewesen, hatte Bank-Vorstand Martin Traub in seiner Begrüßungsrede gesagt. Dann seien die Proteste gestartet und nun sei das Thema aktueller denn je.

Die Verantwortlichen in der Politik würden zu wenig reagieren, trotz der Proteste, sagte Ernst Buck: „Die Ampel macht Dinge, aber zu unflexibel und zu langsam.“ Man habe Kleinigkeiten erreicht, im Vergleich zu Frankreich und der Regierung dort seien es aber wirklich nur Kleinigkeiten.

Es gebe einen Dissens zwischen Landwirtschaft und Umweltbewegung sowie zwischen Stadt und Land, sagte Reinhard Funk. Das sei bei den Protesten deutlich geworden. „Wir haben keine Kommunikationskultur mehr in die Städte rein.“ Positiv stimme ihn jedoch, dass sich auch viele junge Leute bei den Protesten engagiert hätten.

Diskussion sei meinungsgesteuert

„Ich bin nicht die Politik, ich bin ja CDU“, kommentierte Manuel Hagel die Frage, was die Politik aus den Protesten ziehe. Proteste seien in einer Demokratie völlig normal. Die Frage sei jedoch, wie die Politik damit umgehe. Er kritisierte die Bundesregierung, die sich zwar mit den Protestierenden zusammensetze, aber nichts verändere.

„Wir haben viele Meinungen und wenig Wissen“, sagte der Politiker. „Jeder glaubt, was zur Landwirtschaft sagen zu können.“ Die Bauern hätten immer friedlich demonstriert, und dann nach Biberach „ist plötzlich die Demokratie in Gefahr“. Das sei übertrieben. Hagel sagte auch: „In der letzten großen Koalition war die Agrarpolitik nicht nur gut.“

Gastronomie könne ich einfacher verändern

Im Vergleich zur Landwirtschaft sei die Gastronomie in einer Luxussituation, sagte Simon Tress. Wenn etwas in der Gastronomie nicht funktioniere, könne man sein Konzept ändern. Und auch die Preise könnten Restaurantbetreiber selbst bestimmen. In Beratungsgesprächen mit der Bank komme die Unsicherheit der Landwirte immer wieder durch, sagte Daniel Staiger. Die Wirtschaftlichkeit stehe immer sehr im Fokus bei den Gesprächen. Es sei zum Teil Frust zu spüren.

„Wir schreiben keine Rechnungen“, erklärte Buck. „Wir sind immer damit zufrieden gewesen, dass der Handel uns das Geld auszahlt.“ Das sei jedoch mit der Globalisierung zum Problem geworden. Denn nun bestimmt der Weltmarkt die Preise für Produkte wie Fleisch oder Weizen. „Wenn in China ein Sack Reis umfällt, sinkt bei mir der Preis“, sagte Buck.

Der internationale Markt sei ein Problem

Ein Landwirt in Baden-Württemberg könne nicht zu den Konditionen im Ausland produzieren, sagte Hagel auf dem Podium. Dazu seien die Betriebe meist anders strukturiert, kleiner und hätten Felder, die weiter auseinander liegen. Ein weiteres Problem sei die große Macht des Lebensmitteleinzelhandels - namentlich der Ketten Aldi, Lidl, Rewe und Edeka.

Die baden-württembergische Landesregierung plane deshalb ein Label, das für regionale Produkte aus dem Land gedacht sei. Die Waren würden dann zwar zwölf Prozent teurer, doch diese zwölf Prozent müssten die Lebensmittelhändler unmittelbar an die Landwirte weitergeben. Zur Not müsse man sie zur Einführung des Labels zwingen.

Tress spricht sich gegen einen "Labeldschungel" aus

Simon Tress plädierte jedoch dafür, nicht noch ein weiteres Label einzuführen, damit der Verbraucher sich nicht im „Labeldschungel“ verliere - auch wenn Hagel betonte, dass dieses neue Label alle anderen abschaffen würde. Der Bio-Koch ist hingegen der Meinung, dass man auf die Label der großen Gemeinschaften vertrauen solle.

Er prangerte hingegen an: „Wer braucht 25 verschiedene Milchsorten?“ Dort sei eine Verschlankung notwendig. Außerdem müsse man die immer größer werdende Masse an Vegetarierinnen und Veganern einrechnen. „Mit denen müssen wir leben“, sagte Tress. Ein Problem sei jedoch auch, dass viele Landwirte im Marketing nicht so versiert seien und in dem Bereich noch Potenzial nach oben sei.

Hagel will Kinder in Schulen zu gesundem Essen erziehen

Man müsse bereits in der Grundschule anfangen, die Kinder zu einer gesunden und hochwertigen Ernährung zu erziehen, sagte Hagel. So sei die gesellschaftliche Wertschätzung für die Produkte aus der regionalen Landwirtschaft zu erreichen. Denn das Essen habe in der Gesellschaft keinen großen Wert mehr. Hagel sprach außerdem von einer „vorverurteilenden Perspektive auf die landwirtschaftlichen Familien“.

Man versuche, den Landwirten zu viel vorzuschreiben. „Die Bauern haben doch großes Interesse, dass das, was sie machen, gut ist“, sagte der Politiker. Hagel, der von sich selbst sagte „Ich hatte in meinem Leben noch keine Angst vor Bauern“, nahm sich auch die Zeit, den Bauernverband in einem Punkt zu kritisieren: dem Kampf ums Wachstumschancengesetz. Dieses könne nur finanziert werden, wenn dafür die Agrardieselsubvention gestrichen werden. Wenn der Bauernverband dies zu Gunsten des neuen Gesetzes akzeptiere, sei das nicht klug.

Dass aktuell Subventionen wichtig seien, um die Wirtschaftlichkeit der Landwirtschaft zu gewährleisten, war mehrmals zu hören. Denn nur so könne der globalisierte Markt für die Bauern ausgeglichen werden. Die Landwirte selbst hätten darauf keinen Einfluss, wie auch Reinhard Funk sagte: „Es wird sich nichts verändern, wenn wir weniger produzieren.“ Die Landwirte hätten gegenüber dem Markt so gut wie keinen Spielraum.

Die Teilnehmer des 1. VR-Bank Landwirtschafsforums (v.l.): Martin Traub, Dr. Michael Lohner, Simon Tress, Manuel Hagel, Daniel Staiger, Dr. Reinhard Funk, Ernst Buck, Tobias Götz